SEPTEMBER 2016 - Riga ist das Paris des Ostens – Eine Reise in den Jugendstil des Baltikums
Die Männer haben schwer zu tragen. Gleich drei stehen leicht gebückt, die nackten Arme vor der Brust verschränkt, um die mächtige Erdkugel auf ihren Rücken zu balancieren. Diese ist blau und von einem Mosaik zahlreicher Metalladern durchsetzt. Das Symbol des Fortschritts steht auf einem reich geschmückten Jugendstilhaus in der Innenstadt Rigas. Und es ist nur eines, wenn auch herausragendes Beispiel für die zahlreichen Spuren, die die Baumeister des Jugendstils in Riga hinterlassen haben. Wer mit offenen Augen durch die Hauptstadt Lettlands geht, entdeckt die Jugendstilpracht jenseits der mittelalterlichen Altstadt überall: geflügelte Drachen bewachen Fenster und ägyptische Fabelwesen dienen Herkulesgestalten als Sitz. Sonnen, Bäume und Vögel sowie Masken und Stein gewordene Wasserfälle zieren die Fassaden. Viele der Mehrfamilienhäuser aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts sind auch im Inneren farbenprächtig. Wer durch die hölzernen Eingangstüren tritt, kommt aus dem Staunen nicht heraus: elegant geschwungene metallene Geländer führen nach oben. Die Decken sind oft mit floralen Motiven geschmückt oder zeigen Naturansichten der Ostsee und des Baltikums oder aber architektonische Meisterwerke aus Riga. Als ersten Jugendstilgebäude Rigas gilt das Wohn- und Geschäftshaus auf der Audéjustraße 7. Dass es bereits 1899 entstand, verdeutlicht die Aufgeschlossenheit des Rigaer Bürgertums für neue Entwicklungen und Stile in der Architektur.
Ungeheuer und Adler schmücken dagegen das Haus Blaumannstraße 28. Entworfen hat es 1903 der Architekt K. Felsko, der sich ebenso wie seine Kollegen Michael Eisenstein (Vater des berühmten sowjetischen Filmregisseurs Sergei Eisenstein) und W. Bockslaff, dem damals hoch aktuellen Jugendstil verschrieben hatte. Von letzterem stammt das fünfgeschossige Wohnhaus in der Rigaer Jaunielastraße 25-29. Die oberen Geschosse sind in üppiger Formensprache gestaltet. Nach Plänen von Eisenstein entstanden die Wohnhäuser Fr.-Gailja-Straße 2, 2a, 4 und 6 sowie auf der Elisabethstraße 10a und 10b. Der bekannte Rigaer Architekt nutzte die Chance, seine Ideen des Jugendstils im Baltikum besonders kühn umzusetzen. So gestaltete er die Fenster in Hufeisen- beziehungsweise in Schlüssellochform und legte auch ansonsten viel Wert auf dekorative Details. Eizens Laube setzte bei dem von ihm entworfenen Wohnhaus auf der Albertstraße 11 auf Naturmaterialen wie Tuffstein und Holz sowie auf ethnografische Elemente. Laube war es auch, der zusammen mit E. Pole 1909/10 einen Neubau für die Rigaer Lettische Gesellschaft entwarf. Das fünfstöckige Gebäude auf der Merkelstraße 13 ist der erste neoklassizistische Bau in Riga und wird durch ein dekoratives Wandbild des lettischen Jugendstilmalers Janis Rosental geschmückt. Hierbei verband dieser Mosaik und farbigen Zement mittels einer komplizieren Technik. Dargestellt sind die Götter der alten Letten als Allegorien: so Pirei – Symbol der Kraft, Potrim - Gott des Lichtes und der Schönheit, Pikol – Gott des Todes.
Riga gilt als die nordeuropäische Hauptstadt des Jugendstils und damit auch zurecht als Architekturhighlight im Baltikum. Und dessen hohe Qualität und hervorragende Erhaltung ist einer der Gründe – natürlich neben dem Bestand an mittelalterlichen Gebäuden der Altstadt und der Holzarchitektur des 19. Jahrhunderts, dass das Zentrum Rigas seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Immerhin rund 800 Gebäude, also ein Drittel des Stadtzentrums, wurden zwischen 1890 und 1914, in einer Phase des absoluten Baubooms in Riga, im Sinne eines an den Fortschritt glaubenden Bürgertum errichtet.
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Quelle: Rene Sagor